Komfortabel und effizient?! Stromspar-Potenziale im Haushalt
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Forum 2

Komfortabel und effizient?! Stromspar-Potenziale im Haushalt

„Energieeffizienz – Ziele und Akzeptanz“ lautete das Motto des ersten Tages der HEA-Tagung 2021. Nachdem vormittags der Fokus auf dem politischen Rahmen lag, stand im zweiten Forum die praktische Umsetzung im Privathaushalt im Mittelpunkt.

Da ist in den letzten Jahrzehnten viel passiert: Das Energielabel begleitet unsere Kaufentscheidungen seit den 90er Jahren. Dieses Jahr gab es einen neuen Meilenstein durch die Rückkehr zu den einheitlichen Energieeffizienzklassen A bis G bei vielen Gerätegruppen, übersichtlich und aktuell erklärt im HEA Energielabel-Kompass. Ökodesign-Verordnungen sorgen für Verkaufsverbote ineffizienter Geräte, effiziente Technik hat sich vielfach längst durchgesetzt: Beispielsweise beim Licht der Übergang von Glühlampen zu LED. Der Stromverbrauch im Haushalt ist in den letzten Jahren kaum gesunken. Höchste Zeit für eine Bestandsaufnahme und neue Konzepte, aus Geräteindustrie und Energiewirtschaft, so Claudia Oberascher, Fachgebietsleiterin bei der HEA und Moderatorin des Forums.

Komfortabel und effizient?! Stromspar-Potenziale im Haushalt
Claudia Oberascher, Dr. Johannes Schuler

Zum Einstieg stellte sie Ergebnisse einer aktuellen, repräsentativen Studie des BDEW Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft vor, die den Stromverbrauch der Haushalte untersucht hat. Dabei sind die Durchschnittsverbräuche nach Haushaltsgröße jeweils rund zehn Prozent niedriger als bei Durchschnittswerten von 2010. Allerdings zeigt sich auch deutlich, dass der Trend zum Kleinhaushalt den Gesamtstromverbrauch erhöht. So entfällt im Durchschnitt auf eine Person in einem 3-Personen-Haushalt beispielsweise 1.240 kWh, während ein 1-Personen-Haushalt auf 1.900 kWh kommt, allerdings ist die Streuung je nach Ausstattung und Gerätenutzung sehr groß.

Deutliche Verschiebungen zeigt die Aufteilung des Stromverbrauchs nach Haupt-Anwendungen. Der Verbrauchsanteil von Kühl- und Gefriergeräte liegt nur noch bei rund elf Prozent. Hier zeigt sich deutlich der Einfluss von Energielabel und Ökodesign-Mindestanforderungen. Dagegen ist die Informations- und Kommunikationselektronik mit gut 27 Prozent mittlerweile größter Verbrauchsblock, wenig verwunderlich aufgrund des massiven Anstiegs bei Geräteangebot, Ausstattung und Nutzung.

Rebound-Effekte in Privathaushalten

„Der Rebound-Effekt bezeichnet die verpassten möglichen Energieeinsparungen“, erläutert Dr. Johannes Schuler, Projektleiter am Competence Center „Nachhaltigkeit und Infrastrukturen“ beim Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung, Karlsruhe, also die „Differenz zwischen potenzieller Einsparung und tatsächlicher Einsparung“. Beispielsweise führen neue Technologien wie LEDs zu direkten Rebound-Effekten: Eine Studie ergab sechs Prozent mehr Energieverbrauch als Energiesparpotenzial durch eine längere Brenndauer sowie gesteigerte Helligkeit. Weniger bekannt als diese ökonomischen Effekte sind psychologische, wie das „Moral Licencing“, die insbesondere im Klimaschutz interessant seien. Nutzen Haushalte beispielsweise Erneuerbare Energien, fehlt diesen ein schlechtes Gewissen beim Stromverbrauch: Eine Längsschnittstudie mit Prosumern, die den Strom aus PV-Anlagen selbst nutzen, ergab Reboundeffekte zwischen 4 und 12 Prozent, mit einer zeitlichen Persistenz von mindestens fünf Jahren.

Vermeiden ließen sich Rebound-Effekte durch Nudging, beispielsweise durch soziale Vergleiche auf der Stromrechnung oder Prompts an Verbrauchsgeräten aber auch smarte Geräte mit einem direkten Verbrauchsfeedback oder automatisierte Einstellung des Eco-Modus oder Eco-Programm können hilfreich sein.

„Die Geräteindustrie geht neue Wege – BlueMovement“

Die BSH Hausgeräte GmbH, München setzt auf Kreislaufwirtschaft und nachhaltige Geschäftsmodelle. Patrick Hypscher ist bei der BSH verantwortlich für das neue Abo-Modell für Hausgeräte in Deutschland unter der Marke Bosch. Er betont, energieeffiziente Geräte seien mitunter teurere Geräte. Mietangebote ermöglichen die Nutzung ohne hohe Anfangsinvestitionen und überraschende Unterhaltungskosten So erhalten mehr Menschen einen Zugang zu energieeffizienteren Geräten. Als Vermieter bleiben die BSH Eigentümer der Geräte, somit ist auch das kommerzielle Interesse, langlebige, gut reparierbare, wiederverwertbare und zerlegbare Geräte herzustellen. Überspitzt gesagt, seien die Geräte von heute die Rohstofflager von morgen, das habe in der aktuellen Rohstoffknappheit eine ganz neue Relevanz bekommen. In Deutschland ist BlueMovement im Frühjahr gestartet, in Holland gibt es das Angebot bereits seit vier Jahren, überhaupt sei Holland Deutschland um 5–10 Jahre voraus, in Bezug auf Kreislaufgeschäftsmodellen.

Dr. Johannes Schuler

Dr. Johannes Schuler

Patrick Hypscher

Patrick Hypscher

Thoralf Ehnert

Thoralf Ehnert

Irmela Colaço

Irmela Colaço

„Angebote der Energiewirtschaft: Volle Transparenz für Haushalte mit der iONA-App“

Stromkunden bekommen gegenwärtig in der Regel einmal im Jahr Informationen zu ihrem Verbrauchsverhalten im Nachhinein, in Form der Stromrechnung. Nur ein geringer Anteil der Kunden wird mit einem intelligenten Messsystem ausgestattet, die Mehrzahl bekommt eine moderne Messeinrichtung ohne wirklichen Mehrwert. An diesen Kunden ginge die Digitalisierung im Messwesen vorbei, die kostenlose iONA-App schließe hier die Lücke, betont Thoralf Ehnert, Leiter Produktentwicklung/-management Privatkunden bei der enviaMitteldeutsche Energie AG, Chemnitz. Die App stellt den Verbrauch in Echtzeit dar und unangenehme Überraschungen in Form von Nachzahlungen am Jahresende sind vermeidbar. Durch die Aufteilung des Verbrauchs auf die Anwendungen bekommt der Kunde wirksame Einsparhinweise und auch Stromfresser lassen sich entlarven. Wichtig sei aber auch zunehmend, dass Energie dann bevorzugt genutzt wird, wenn sie ausreichend vorhanden ist. „In Zukunft hoffen wir durch Lastverlagerung Abregelungen vermeiden zu können“, so Ehnert weiter. Die App wird als Kundenservice kostenlos angeboten, da zum einen negative Kundenkontakte zur Stromrechnung vermieden werden können, perspektivisch sollen auf Basis der Nutzung weitere Angebote und Geschäftsmodelle entwickelt werden.

In der anschließenden Diskussion gibt Irmela Colaço, Projektleiterin für die Themen Energiesparen und Energieeffizienz beim Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V. (BUND) zu bedenken, dass die Digitalisierung zwar Einsparpotenziale mit sich bringt, sich dadurch aber auch vieles im Dauerlauf befindet und erhöhten Standby-Verbrauch nach sich zieht. Grundsätzlich gebe es aktuell viele gegenläufige Tendenzen, die sie kritisch sieht. Auf der einen Seite sei durch Energielabel- und Ökodesign-Vorschriften enorme Einsparungen erzielt worden, andererseits bewirken beispielsweise zunehmend größere Waschmaschinen trotz der vielen Kleinhaushalte oder der schon erwähnte vernetzte Stand-by-Verbrauch wieder Mehrverbräuche. Da gäbe es noch einiges an Potenzial. Dem Verbraucher fehle auch der Zusammenhang zwischen seinem täglichen Handeln und seinem Stromverbrauch, wie schon von Thoralf Ehnert ausgeführt. Der bestätigt, dass das Bewusstsein für den Stromverbrauch in Deutschland nicht sehr ausgeprägt sei, „der Stromverbrauch kommt aus der Steckdose“, hier versucht iONA gegenzusteuern, indem Kunden immerhin einen monatlichen Verbrauchsbericht erhalten oder durch eine „Happy Hour“ zur Verbrauchsverlagerung animiert werden. Integriert werden soll zudem Benchmarking evtl. mit anderen Haushalten.

Sein Verhalten grundlegend zu ändern, um nachhaltig Energie zu sparen fällt Haushalten allerdings schwer, betont Dr. Johannes Schuler, man spricht hier von „Verhaltenskosten“. Manche Haushalte, wären für Monitoring und aktive Änderungen nicht zu erreichen, da ist ein Rundum-Sorglos-Paket wie beispielsweise das BlueMovement-Geräteabo bzw. Automatisierung eine Lösung. Energie sparen ist noch viel zu komplex auch die Anfangsinvestition stellt für viele eine zu hohe Hürde dar. Hier sind verschärfte Effizienz-Mindestanforderungen an die Geräte ein probates Mittel so Irmela Colaço, sowie Nudging, also das „Schubsen“ zu erwünschte Handlungen, beispielsweise die Auslieferung von Geräten mit voreingestelltem Energiesparmodus oder -programm.

Patrick Hypscher bestätigt, dass die meisten Kunden das Geräteabo aus Bequemlichkeit wählen, doch er sieht das Angebot dadurch auch in der Pflicht, aus der Gestaltungsfreiheit Gestaltungsverantwortung zu ziehen. „Efficiency first“ hat zwar das Energiesparen auf die politische Agenda gehoben, so Irmela Colaço mit Hinblick auf die neuen Stromverbraucher wie Elektromobilität und Wärmepumpen sind da noch weitere Anstrengungen nötig. Ein schöner Ansatz für die nächste Tagung also, um Erkenntnisse aus der Verhaltenspsychologie und die praktische Umsetzung zu vertiefen.

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