Attraktiver Arbeitgeber: Mitarbeiter zu Fans machen
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Artikelserie Teil 3: Arbeitgeberattraktivität

In wenigen Jahren will Deutschland klimaneutral werden. Doch wer soll die Gebäude energetisch sanieren, die notwendigen Wärmepumpen und PV-Anlagen einbauen und installieren? Es werden dringend Spezialisten benötigt. Aber es fehlen Hunderttausende Fachkräfte, sowohl im Fachhandwerk als auch in der geräteherstellenden Industrie. Die HEA stellt das Thema Fachkräftemangel nun in den Mittelpunkt einer Artikelserie. Im zweiten Beitrag wenden wir uns nun dem Aspekt „Generationswechsel“ zu.

Attraktiver Arbeitgeber: Mitarbeiter zu Fans machen

Der Konkurrenzkampf der Unternehmen um Fachkräfte spitzt sich zu. Der Arbeitsmarkt ist in vielen Branchen nahezu leer gefegt. Wer neue Leute gewinnen will, dem bleibt oft nichts anderes als Abwerbung übrig. Doch was genau muss ein Unternehmen bieten, damit jemand den Job wechselt – oder über Jahre im Betrieb bleibt?

Skoda Superb iV statt Astra Kombi: Während die Preise für Diesel und Benzin an den Tankstellen in nie gekannte Höhen klettern, hat Lothar Hellmann, Vorstandsmitglied bei der HEA und Chef von Elektro Venn aus Duisburg, seine Firmenflotte umgestellt. Die 20 Projektleiter des Fachbetriebs für Elektroinstallation mit insgesamt 140 Mitarbeitern sind seit Neustem in Hybridfahrzeugen der oberen Mittelklasse unterwegs. „Der Stromantrieb reicht für 50 bis 55 Kilometer“, erklärt Hellmann. Laden können die Mitarbeiter die Fahrzeuge an Ladesäulen im Unternehmen – die über Photovoltaik gespeist werden – oder an der Ladestation zu Hause: Der Strom, der hier in den Akku wandert, wird über den Betrieb abgerechnet. Verbunden mit der günstigeren 0,5-Prozent-Regelung zur Versteuerung des geldwerten Vorteils von Firmenwagen bietet Hellmann seinen Führungskräften genau dort ein komfortables Pflaster, wo vielen Arbeitnehmern derzeit der Schuh drückt. „Manche Mitarbeiter fahren mit einer Tankfüllung 3000 Kilometer“, sagt Hellmann, der das Unternehmen zusammen mit seinem Sohn führt. „Der Rest geht alles über Elektroantrieb.“

In Zeiten steigender Spritpreise positioniert sich der Betrieb in Sachen Mitarbeiterbindung damit ganz vorn. „Wir müssen gute Fachkräfte gewinnen und gleichzeitig die vorhandenen binden, damit sie nicht von anderen Marktteilnehmern, wie Industrie, Stadtwerken oder Großhandel abgeworben werden“, sagt Hellmann. Wenn sich Mitarbeiter heute aussuchen können, wo sie arbeiten wollen, müssen Arbeitgeber – egal ob Handwerksbetrieb oder Bundesbehörde – zum Lieblingsbetrieb werden. Eine attraktive Firmenwagenregelung kann hier das Zünglein an der Waage sein. „Insgesamt kommt es aber auf das Gesamtpaket an“, sagt Hellmann. So engagiere sich sein Betrieb auch stark bei bei der Aus- und Weiterbildung. „Wir schicken alle regelmäßig zu Schulungen, während der Arbeitszeit und auf Kosten des Betriebs – bis hin zum berufsbegleitenden Studium.“ Dazu kämen die „warmen, weichen Faktoren“, wie Hellmann sie nennt. „Unser Betrieb ist wie eine große Familie: Das Büro ist immer offen und die Mitarbeiter wissen, dass wir für ihre Sorgen und Wünsche jederzeit erreichbar sind.“

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Lothar Hellmann, ZVEH-Präsident, Vorstandsmitglied bei der HEA und Geschäftsführer von Elektro Venn.

Was Fachkräften wichtig ist

Diese weichen Faktoren sind auf jeden Fall wichtig, wenn es um Arbeitgeberattraktivität und den Aufbau einer Arbeitgebermarke, das sogenannte Employer Branding, geht. So sind laut Report des Karriereportals Stepstone ein gutes Arbeitsklima, flache Hierarchien, Work-Life-Balance und sinnhafte Aufgaben wichtige Bindungsfaktoren, die Mitarbeiter dazu bringen, sich über viele Jahre mit einem Unternehmen zu identifizieren. Bei der Wahl eines neuen Arbeitsgebers zählen dagegen ein attraktives Grundgehalt und hohes Einkommen in der Zukunft, flexible Arbeitszeiten, Karriere- und Weiterbildungsperspektiven, die Unternehmenskultur sowie sinnstiftende Aufgaben am meisten.

Weil Belegschaften zunehmend heterogen werden – etwa in Bezug auf Alter, Geschlecht oder Familiensituation – muss eine erfolgreiche Arbeitgebermarke auch die Bedürfnisse der verschiedenen Generationen berücksichtigen. Laut einer Studie des Karriereportals Monster legen jüngere Jobsuchende etwa mehr Wert auf Flexibilität, Aufstiegschancen oder die Möglichkeit „langfristige, marktgängige Fähigkeiten zu erwerben“. Für Ältere zähle dagegen verstärkt das Gehalt, eine sichere Arbeitsumgebung und ein „Arbeitsumfeld, das soziale Kontakte ermögliche“. Die Top Job-Studie der Universität St. Gallen beschreibt die Faktoren gelungener Arbeitsgeberattraktivität so: „Mitarbeitende empfinden ihren Arbeitgeber dann als attraktiv, wenn er ihren Bedürfnissen nach Sicherheit, sozialen Interaktionen und persönlicher Entwicklung nachkommt.“ Resignative Trägheit, also wenig Interesse am Unternehmensgeschehen und Perspektivlosigkeit, Altersdiskriminierung sowie Zentralisierung, sprich wenig Mitsprache der Mitarbeiter, beeinflussten die Arbeitgeberattraktivität dagegen stark negativ. Auch eine „Laissez Faire-Führung“ – mit übergroßem Spielraum des Mitarbeiters und wenig Involvierung des Vorgesetzten – sowie Isolation, besonders in zunehmend virtuellen Arbeitswelten, gelte es unbedingt zu vermeiden.

Sinn und vielfältige Tätigkeiten

Dass der Fachkräftemangel auch die größeren Player am Arbeitsmarkt trifft, zeigen die Erfahrungen von Klaus Hambsch, Fachbereichsleiter Personalgewinnung und Ausbildung bei der Bundesagentur für Arbeit. Deutschlands größte Sozialbehörde beschäftigt rund 100.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – und merkt in einigen Bereichen den Fachkräftemangel deutlich. „Die Zeiten, in denen wir Stellen ausgeschrieben haben und dann kamen die Bewerbungen rein und wir mussten nur noch auswählen, sind lange vorbei“, sagt Hambsch. Heute suchten die Bewerber den Arbeitgeber aus – umso wichtiger sei es für Unternehmen die Wünsche und Bedürfnisse der Arbeitnehmer zu kennen. „Die Sinnhaftigkeit der Tätigkeit spielt eine große Rolle“, hat Hambsch beobachtet. „Und das kommt uns auch entgegen, weil wir damit punkten können.“ Denn wer bei der Arbeitsagentur lediglich an einen mehr oder weniger spannenden Bürojob mit bisweilen herausforderndem Kundenkontakt denkt, sieht längst nicht das ganze Spektrum. „Durch das Gewähren von Leistungen oder die Auszahlung von Kinder- oder Kurzarbeitergeld sorgen wir für die soziale Sicherung im Land“, erklärt Hambsch. Zudem förderten die Mitarbeiter im Bereich Vermittlung den Marktausgleich zwischen Arbeitgebern und Menschen auf Jobsuche. Dazu komme die Vielfalt der Tätigkeiten. „Wir beschäftigen viele Berufe, an die man zuerst gar nicht denkt, etwa Ärzte, Psychologen oder IT-Kräfte“, sagt Hambsch. „Und genau das ist die Herausforderung im Personalmarketing: Deutlich zu machen, dass wir sowohl von der Aufgabe, als auch von der Vielfalt der Tätigkeiten interessant sind.“

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Klaus Hambsch, Fachbereichsleiter Personalgewinnung und Ausbildung bei der Bundesagentur für Arbeit.

Webseite ist wichtigster Touchpoint

Das wichtigste Mittel für diese Außenwerbung ist die Webseite. „Das ist nach wie vor einer der wichtigsten Touchpoints für Bewerber und Bewerberinnen“, sagt Hambsch. „Wenn die irgendwo eine Anzeige von uns sehen, dann schauen sie auch auf unsere Karriereseite.“ Dazu kämen Karrierenetzwerke wie „Xing“, „LinkedIn“ oder „Kununu“ sowie spezielle Ausbildungsplattformen wie „ausbildung.de“ oder „Azubiyo“, wo Unternehmen mit einem speziellen Eintrag für sich werben können.

Ein wichtiges Thema in Einstellungsgesprächen ist laut Hambsch die Frage nach Entwicklungsmöglichkeiten. „Mobiles Arbeiten oder die Vereinbarkeit von Beruf und Familie sind natürlich auch wichtig“, sagt Hambsch, „aber das wird im Grunde als Standard erwartet. Da kann man eigentlich nur noch negativ auffallen, wenn man es nicht anbietet.“ Wichtiger sei aus seiner Sicht ein „breites Qualifizierungsangebot, das während der Arbeitszeit stattfindet und dafür sorgt, dass unsere Beschäftigten in ihren Kenntnissen aktuell bleiben.“ Dazu komme ein leistungsorientierter Karriereweg ohne formale Laufbahnprinzipien: „Wer bei uns die Ausbildung gemacht hat, kann theoretisch bis zum Vorstand aufsteigen, ohne extra Prüfungen ablegen zu müssen. Es geht rein nach Leistung und Bewährung im Job.“

Binden und fördern statt extern suchen

Wer auf Fach- und Führungskräfteentwicklung aus eigenem Personalpool setzt, hat den Vorteil, dass potenzielle Bewerber nicht aufwendig gesucht und überzeugt werden müssen. Sondern schon im Unternehmen integriert sind und es im Idealfall als attraktiven Arbeitgeber schätzen. Diese Strategie verfolgen die Stadtwerke Rostock. Der Energieversorger mit rund 700 Mitarbeitern bietet mit Ausbildung, dualem Studium und Traineeausbildung viele Möglichkeiten für junge Leute. „Dazu gehören sogar Ausbildungsplätze als Koch in unserem betriebseigenen Restaurant oder vielfältige Tätigkeiten im Bereich IT“, erklärt Ute Römer, Vorsitzende im Vorstand der HEA und Vorstandsmitglied der Rostocker Stadtwerke. Doch gerade im Bereich Informationstechnik sehe es zunehmend eng aus. „Für die Ausbildungsberufe in der IT ist es schwierig junge Leute zu bekommen“, hat Römer beobachtet. Das liege vielleicht daran, dass sich insgesamt zu wenige Schulabgänger dafür interessierten. „Oder sie nehmen uns als Energieversorger nicht als attraktiven Ausbildungsbetrieb wahr, weil sie das Thema IT nicht mit uns verbinden.“

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Ute Römer, Vorsitzende im Vorstand der HEA und Vorstandsmitglied der Rostocker Stadtwerke.

Jobbotschafter werben für Berufe

Um das zu ändern, gehen die Azubis der Stadtwerkwerke auf Jobmessen und berichten dort als „Jobbotschafter“ Gleichaltrigen von ihrem Beruf: was gut ist im Unternehmen, wie die Ausbildung funktioniert und was besonderen Spaß macht. „Wir haben auch Videos zu unseren Berufen gedreht, die wir auf Instagram zeigen“, sagt Römer. Wichtig ist zudem das Onboarding, also die Begleitung der neuen Mitarbeiter. „Zu Beginn des Ausbildungsjahres begrüßen wir die Azubis feierlich. Es gibt eine Einführungswoche und die Neuankömmlinge werden durch erfahrene Azubis oder Dual-Studenten begleitet.“

Eine häufige Frage in Einstellungsgesprächen ist auch in Rostock die Personalentwicklung. „Wir begleiten Führungskräfte durch verschiedene Schulungsmaßnahmen, etwa Mentoringprogramme“, erklärt Römer. Ein Besonderheit, die hilft den Pool möglicher Fachkräfte zu erweitern, ist ein Aufstiegsprogramm des Bundeslands Mecklenburg-Vorpommern für Frauen. Wer gerade Führungskraft geworden ist oder kurz davor steht, kann teilnehmen und bekommt einen Mentor oder Mentorin aus einer anderen Branche. „Das wird sehr gut angenommen“, sagt Römer. „Wir haben sehr gute Erfahrungen damit gemacht, Mitarbeiter selbst zu entwickeln. Dann kennt man sich und weiß wie die Leute ticken.“ Wichtig sei dafür aber ein unternehmensinternes System, das dabei helfe flexibel auf Marktanforderungen zu reagieren. „Wir müssen vorausschauen: Welche Fachleute brauchen wir künftig? Wie können wir flexibel auf diesen Bedarf reagieren?“ Denn vom Beginn der Planung einer solchen Ausbildung bis zum ersten ausgelernten Azubi dauere es leicht fünf Jahre.

Pluspunkt für Zukunftsbranchen

Wer in der Energiebranche unterwegs ist, sollte als Arbeitgeber aber auch die großen Zukunftsthemen wie erneuerbare Energien und die Transformation des Energiesystems besetzen – und sich entsprechend präsentieren. Denn das Unternehmensimage oder der Stellenwert der Branche innerhalb der Gesellschaft zählen bei den Anforderungen jüngerer Arbeitnehmer an potenzielle Arbeitgeber zu den Top 10, wie eine Personalmarktumfrage von Organomics zeigt. „Für die Mitarbeiter ist es schon wichtig, dass sie in einem Markt mit Zukunftstechnologien tätig sind“, hat auch Lothar Hellmann in seinem Duisburger Elektrotechnikbetrieb beobachtet. „Die Mitarbeiter freut es etwa ungemein, dass wir im Betrieb eine eigene Photovoltaikanlage mit Batteriespeicher haben. Und wenn sie das dann noch bei Kunden installieren können, sind sie die Könige.“

Sandra Rauch

* Zur Autorin

Sandra Rauch wurde 1977 in Berlin geboren. Sie hat Betriebswirtschaftslehre studiert und eine Ausbildung zur Redakteurin in einem Fachverlag für Wirtschaftsmedien absolviert. Seit 2008 arbeitet sie als freiberufliche Journalistin, Autorin und Texterin für zahlreiche Medien. Ein Themenschwerpunkt sind Betriebsführung, Marketing und Personal. Bild © Foto Brinke

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