Generationen im Wandel: Wer Fachkräfte sucht, muss die junge Generation ins Boot holen
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Artikelserie Teil 2: Generationen im Wandel

In wenigen Jahren will Deutschland klimaneutral werden. Doch wer soll die Gebäude energetisch sanieren, die notwendigen Wärmepumpen und PV-Anlagen einbauen und installieren? Es werden dringend Spezialisten benötigt. Aber es fehlen Hunderttausende Fachkräfte, sowohl im Fachhandwerk als auch in der geräteherstellenden Industrie. Die HEA stellt das Thema Fachkräftemangel nun in den Mittelpunkt einer Artikelserie. Im zweiten Beitrag wenden wir uns nun dem Aspekt „Generationswechsel“ zu.

Generationen im Wandel: Wer Fachkräfte sucht, muss die junge Generation ins Boot holen

Von Sandra Rauch *

Sind sie selbstbezogen und freizeitorientiert oder haben sie einfach nur aus den Fehlern ihrer Eltern gelernt? Fest steht: Die junge Generation hat andere Werte als ihre Chefs. Das führt zu Spannungen in den Unternehmen, doch gleichzeitig wird klar: Die Zukunft wird nur miteinander funktionieren.

Ihre Generation nennt man, je nach Wohlwollen, „Greta“ oder „Feierabend“. Sie sind die „Digital Natives 2.0“, die vom Smartphone abhängige „Generation Zombie“ oder einfach die „Gen Z“, was wie Zukunft klingt, aber nur die alphabetische Fortführung der vorherigen Alterskohorten ist. Doch egal unter welchem Begriff sie laufen: Seit die jungen Menschen der Geburtenjahrgänge 1995 bis 2010 in Schule, Ausbildung und Beruf ankommen, sorgen sie bei älteren Jahrgängen für Aufmerksamkeit, man könnte auch sagen: Irritation.

Dabei ist schon ihre Vorgängergeneration, die Millennials der Generation Y, also die 1980 bis 1994 Geborenen, ein für viele Unternehmen erklärungsbedürftiges Phänomen. Nach den karriere- und wohlstandsorientierten „Boomern“ (Jahrgänge 1955 bis 1964) und der „Generation X“ (1965 bis 1979) traten ab Beginn der Nullerjahre junge, gut ausgebildete und selbstbewusste Menschen in die Betriebe ein, die etablierte Hierarchien in Frage stellten. Ihr Markenzeichen: Die Frage nach dem Sinn, also dem Warum?, etwa von Tätigkeiten und Unternehmensstrukturen (abgeleitet von der englischen Aussprache von „Y“ als „Why“, deutsch: warum). Spaß an der Arbeit und Selbstverwirklichung ist den Millenials wichtig, gleichzeitig bevorzugen sie selbständiges und unabhängiges Arbeiten. Sie beanspruchen Freiraum für Innovation und Kreativität und fordern einen teamorientierten Führungsstil. Gleichzeitig streben sie weniger in Chefpositionen als frühere Generationen, da ihnen die Vereinbarkeit von Beruf und Familie wichtig ist.

Heimliche Revolutionäre

Diese stärkere Gewichtung privater Interessen ist nach Ansicht von Soziologen auch eine Reaktion auf die gesellschaftlichen Krisen, mit denen die Millenials beim Aufwachsen konfrontiert wurden, etwa die Terroranschläge vom 11. September 2001, die Nuklearkatastrophe von Fukushima oder die Finanz-, Wirtschafts- und Eurokrise ab 2007 mit hoher Jugendarbeitslosigkeit in vielen Ländern. Nicht umsonst nennt man die Ypsiloner auch „Generation Praktikum“. Für viele sei es, trotz guter Ausbildung, schwer gewesen im Arbeitsmarkt Fuß zu fassen, erklärt der Soziologe und Generationenforscher Klaus Hurrelmann, einer der Autoren der 18. Shell Jugendstudie 2019. „Diese existenzielle Verunsicherung hat die Ypsiloner tastend und sondierend gemacht“, sagt Hurrelmann. „Entscheidungen werden aufgeschoben und hinterfragt, zugleich werden Chancen genutzt, wenn sie sich ergeben.“ Hurrelmann bezeichnet die Millenials auch als heimliche Revolutionäre: Diese Generation habe gelernt, dass sie mit offenem Protest nichts verändern könne. Sondern nur indem sie an den Positionen, die sie besetzt, nach ihren eigenen intuitiven Vorstellungen die Gesellschaft verändert.

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Klaus Hurrelmann, Soziologe und Generationenforscher

Interessen artikulieren und durchsetzen

Ihre Nachfolger, die „Generation Z“, macht dagegen auf sich aufmerksam. Ziemlich lautstark, wenn es um Politik, etwa bei den Klimaprotesten, geht. Weniger laut, aber dafür umso beharrlicher, wenn es gilt die eigenen Interessen im Berufs- und Arbeitsleben durchzusetzen. Personaler berichten etwa von jungen Bewerbern, die bei Einstellungsgesprächen Vorschläge zur Optimierung der Unternehmenskultur machen. Oder von Berufsanfängern, die pünktlich zum Feierabend alles stehen und liegen lassen – und dadurch auch mal wichtige Deadlines platzen lassen. „Anders als die Generation vor ihnen artikulieren die Z-ler ihre Interessen und melden sich zu Wort“, sagt Mathias Albert, Professor für Politikwissenschaft und Mitglied im Autorenteam der Shell Jugendstudie. „Die heutigen Jugendlichen stellen viel stärkere Forderungen an die Gesellschaft, die Politiker und die älteren Generationen.“

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Mathias Albert, Professor für Politikwissenschaft

Sicherheit gewinnt an Bedeutung

Bei ihren Vorstellungen vom Beruf legen die Z-ler die Messlatte ziemlich hoch. „Junge Menschen wollen heute vieles zugleich“, sagt Ingo Leven, Studienleiter bei Kantar und weiterer Co-Autor der Shell Jugendstudie. „Sie wollen eine auskömmliche und sinnstiftende Tätigkeit. Gleichzeitig ist für sie Erwerbstätigkeit nicht alles, weil sie sich auch in anderen Lebensbereichen verwirklichen möchten.“ Erwünscht sei zudem ein sicherer Arbeitsplatz, die Gefahr sich aus einer Zwangslage heraus (etwa bei Wegfall der Stelle durch befristete Verträge) neu orientieren zu müssen, werde möglichst vermieden. Krisenbedingte Zukunftssorgen, wie der Krieg in der Ukraine und die hohe Inflation, erhöhen dabei den Stellenwert von sicherem Arbeitsplatz und ausreichendem Einkommen, wie die aktuelle Studie „Junge Deutsche 2022“ zeigt.

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Ingo Leven, Studienleiter bei Kantar und Co-Autor der Shell Jugendstudie

Job nur eine Option von vielen

Gleichzeitig ist die eigene Loyalität gegenüber dem Arbeitgeber nicht allzu hoch: Laut aktuellem Randstadt-Arbeitsmonitor sagen etwa 56 Prozent der 18- bis 24-Jährigen, sie würden einen Job kündigen, wenn er sie davon abhielte, das Leben zu genießen. „Das Fluktuationsrisiko ist bei Mitarbeitenden der Generation Z besonders hoch", erklärt der Jugendforscher Simon Schnetzer, Initiator der Studienreihe „Junge Deutsche“. „Die Generation Z wünscht sich von ihrem Beruf Spaß, Sinn und Sicherheit. Doch sie ist nicht bereit, ihren Arbeitgebern die Verbindlichkeit zu geben, die sie selbst als Sicherheit einfordern.“ Der Job ist für sie nur eine Option von vielen. Die Folge sind sogenannte Mosaikkarrieren – mit vielen Wechseln zwischen Unternehmen und Tätigkeiten –, die künftig die klassischen Karrierewege ersetzen werden.

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Simon Schnetzer, Jugendforscher und Initiator der Studienreihe „Junge Deutsche“

Strikte Trennung statt Work-Life-Blending

Spaß und Sinn bei der Arbeit sowie Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben wünschen sich zwar auch die etwas älteren Millenials. Doch im Gegensatz zu den Ypsilonern, die sich etwa durch freie Zeiteinteilung oder ortsunabhängige Arbeit bessere Work-Life-Balance erhoffen – und nicht selten durch die ständige Verfügbarkeit immer mehr Privatleben opfern – setzen die Z-ler klare Grenzen. Sie trennen strikt zwischen Arbeits- und Lebenszeit: Wichtig ist ihnen eine geregelte Arbeitszeit mit klar festgelegtem Beginn und Ende. Wochenendarbeit und Überstunden werden zwar mit Karriereorientierung verbunden, finden aber nur wenig Zustimmung, wie etwa die Ergebnisse der Shell Jugendstudie zeigen. Auch Kontakte zu Kollegen außerhalb des Jobs, etwa privat oder bei Firmenfeiern oder Teamevents, sind wenig gewünscht. „Wichtiger sind Werte und Strukturen, die direkt mit dem Arbeitsumfeld in Verbindung stehen“, heisst es etwa in einer Studie Personaldienstleisters Zenjob. Unterhaltung und Genuss blieben im Privaten.

Gute Verhandlungsposition

„Das ist das Themenpaket, das junge Menschen in Vorstellungsgesprächen oder wenn sie auf Arbeitgeber treffen, eröffnen“, fasst Meinungsforscher Ingo Leven zusammen. Bei vielen Vorgesetzten, meist Angehörige der Generation X oder der Boomer-Jahrgänge, deren Karrierewege bis heute von Leistungsbereitschaft und hohen Arbeitspensen geprägt sind, treffen diese Wünsche auf Unverständnis. Gleichzeitig brauchen die Unternehmen die jungen Leute durch den Fachkräftemangel heute mehr denn je – was die Verhandlungsposition der Youngster deutlich verbessert. „Die Zuversicht der Jugend ihre beruflichen Wünsche zu erfüllen, ist in den vergangenen zehn Jahren deutlich gestiegen. Sie profitiert vom demografischen Wandel und einer vergleichsweise geringen Jugend- und Gesamtarbeitslosigkeit“, sagt Leven. Er finde es daher „spannend, inwieweit junge Menschen mit ihren Erwartungen für Veränderung auf dem Arbeitsmarkt sorgen werden“ – oder ob dieser eher durch andere große Entwicklungen, etwa die Digitalisierung der Arbeit, geprägt werde.

Keine Lust aufs Chefsein

Die Bedürfnisse der Generation Z dürften dabei einen Trend noch verstärken: Schon heute klagen Unternehmen über Führungsnachwuchs. Laut einer Umfrage der Initiative „Chefsache“ – einem Netzwerk von Führungskräften aus Wirtschaft, Wissenschaft, öffentlichem Sektor und Medien – wünschen sich aktuell nur 28,9 Prozent der Beschäftigten in Deutschland im Laufe ihres Berufslebens eine oder eine weitere Führungsrolle zu übernehmen – so wenige wie nie.
Gerade die Millenials, also die Vorgängergeneration der Z-ler, gelten als zögerlich, wenn es um Führungspositionen geht. Vor allem Verteter der Boomer oder der Generation X nennen die Ypsiloner daher auch „Generation Schneeflocke“ – weil sie sich keinem Druck aussetzen wollen, um nicht daran zu zerschmelzen. Der Begriff ist abwertend gemeint, das Phänomen zeigt aber, dass die von 1980 an Geborenen nicht mehr bereit sind, sich einer Arbeitswelt zu opfern, die viele ihrer Eltern in den Burnout getrieben hat. Erst müssen sich Arbeitsumfeld und Führungskonzepte ändern – und Unternehmen etwa mit „flexiblen Lösungen experimentieren, um trotz familiärer Bedürfnisse Leistung und Verantwortung im Betrieb zu ermöglichen“, wie etwa der Jugendforscher Simon Schnetzer rät.

Motivation und Sinn schaffen

Wer die junge Generation fürs Unternehmen gewinnen und dort auch binden möchte, muss bereit sein, ihre Werte und Bedürfnisse zu verstehen und ihnen entgegenzukommen. Wichtiger Hintergrund ist einerseits die Prägung durchs Internet und Social Media, andererseits die hohe Bedeutung von Familie und Eltern. Die Generation Z ist mit dem Internet groß geworden, das Smartphone dient den allermeisten als wichtigster Draht zur Außenwelt. Die pausenlose Vernetzung sorgt zwar für Druck etwas zu verpassen, dafür bieten jedoch „Likes“ sofortige Belohnung und die gewünschte soziale Bestätigung. Unter diesen Voraussetzungen habe die Entscheidung für einen Job oder eine Ausbildung für Z-ler eher den Wert einer Statusmeldung, sagt Jugendforscher Simon Schnetzer. „Wer sie im Betrieb halten will, muss kontinuierliche Beziehungsarbeit leisten.“ Bedingt werde das neben den im Digitalen erlernten Belohnungsmustern auch von der in vielen Familien vorhandenen hohen Qualität der Eltern-Kind-Beziehung, die durch Kommunikation auf Augenhöhe für hohes Selbstbewusstsein der Kinder sorgt, gleichzeitig aber auch den Einfluss der Eltern erhöht. Laut Ausbildungsstudien zählen Eltern heute etwa zu den „Top-Influencern“ ihrer Kinder, wenn es um die Berufswahl geht. „Die Generation Z wird in Sachen Aufmerksamkeit und Feedback von ihren Eltern verwöhnt, die Umstellung im Beruf ist daher erheblich“, erklärt Schnetzer. Wer mit Z-lern erfolgreich zusammenarbeiten wolle, müsse sich bei Feedback und Motivation mehr anstrengen als bei älteren Mitarbeitenden. Doch natürlich könne man nicht permanent Rückmeldung geben. Schnetzer rät daher „Klarheit zu schaffen, wann Sie Feedback geben, beispielsweise mit einem Feedback-Friday. Dadurch können Sie die Erwartungshaltung steuern.“ Auf ähnliche Weise lasse sich auch der von der Jugend geforderte „garantierte Feierabend“ mit betrieblichen Erfordernissen in Einklang bringen. „Die Generation Z nimmt Arbeitszeiten für bare Münze“, sagt Schnetzer – „außer der Arbeitgeber motiviert gut und bietet eine hochgradig Sinn stiftende Tätigkeit.“ Die Arbeitsmoral der Nachwuchskräfte sei nicht schlechter als die früherer Generationen – „sie wollen aber besser für ihre Leistung motiviert werden.“

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Sandra Rauch

* Zur Autorin

Sandra Rauch wurde 1977 in Berlin geboren. Sie hat Betriebswirtschaftslehre studiert und eine Ausbildung zur Redakteurin in einem Fachverlag für Wirtschaftsmedien absolviert. Seit 2008 arbeitet sie als freiberufliche Journalistin, Autorin und Texterin für zahlreiche Medien. Ein Themenschwerpunkt sind Betriebsführung, Marketing und Personal. Bild © Foto Brinke

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